Freitag, 16. Oktober '15
10 Jahre Theater rote Bühne in Nürnberg - nun das Ende?
Zehn Jahre Kampf ums Überleben, vor drei Jahren kurz vor der Pleite, wieder auf die Beine gekommen, jetzt ist uns eine grandiose Jubiläumsinszenierung mit „Die Blechtänzerin“ gelungen, aber
leider stehen wir wieder vor der Pleite. Warum….weil Kunst Geld kostet, Kunst, die verändern möchte, aufrütteln, in Erstaunen versetzten kann, Emotionen auslöst, zum Nachdenken anregt, über das
Lachen die Seele entspannt. Dies ist dem freien Kleinkunsttheater rote Bühne seit 2006 auf hochprofessionellem Niveau gelungen, getragen von einem Kulturverein, über viele Jahre, mit mittlerweile
über zwei Dritteln Eigenproduktionen. Neben dem Gostner Hof- theater und dem Theater Salz & Pfeffer die einzige freie Erwachsenenbühne in Nürnberg mit eigenem Spielort. Laut Aussagen vieler
Politiker bräuchte es aber nicht mehr als diese zwei freien Bühne in unserer über 500.000 Einwohner fassenden Stadt mit einem Einzugsgebiet von mehreren Millionen. Deshalb erhält die rote Bühne
einen im Vergleich kläglichen Jahresetat, der nur rund 10% der Förderung der gennannten Theater beträgt, konkret 13.500 €. Um unsere diesjährige Jubiläumsinszenierung zu
unterstützen, hat der Stadtrat eine Etaterhöhung um 200 € bewilligt…..richtig gelesen, 200 €! Wir sind gewillt, diese großzügige Spende der Stadt zurückzuerstatten, da wir dies als Hohn
betrachten.
Alleine die Produktionskosten der „Blechtänzerin“ betrugen rund 90.000 €, was für eine Musiktheaterproduktion mit sechs professionellen Darstellern, einem live Orchester, dem Schreiben des Stückes inklusive 12 Vorstellungen im professionellen Bereich eine absolute Low Budget Produktion ist, nur machbar, indem die Beteiligten während der zweimonatigen Vollzeitproben und bei den Vorstellungen für höchstens die Hälfte ihres üblichen Honorars gearbeitet haben, zuzüglich hunderter ehrenamtlicher Arbeitsstunden für Kostüm und Bühnenbild. Dieses Projekt hatten wir im vergangenen Jahr mit einem konkreten Finanzierungsplan in persönlichen Gesprächen nahezu allen Stadtratsfraktionen vorgestellt und unsere vergangene Arbeit dokumentiert. Mit großem Lob für unsere Arbeit haben insbesondere SPD und CSU uns den Eindruck vermittelt, sie würden sich für eine deutliche Erhöhung unseres Etats einsetzen. Nachdem wir außerdem der Presse im vergangenen Jahr entnehmen konnten, dass der Kulturetat für die freie Szenen um 200.000 € aufgestockt wird, waren wir guter Hoffnung und empfinden die Erhöhung um 200 € für unser Theater, das sich bereits 10 Jahre bewiesen hat, als Schlag ins Gesicht. Dies empfinden ebenso unsere Zuschauer und Fördermitglieder, die wir demnächst zu gezielten Protestaktionen mobilisieren werden.
Mit dem Jahresetat der Stadt Nürnberg von 13.500 € und 2.000 € vom Bezirk konnte der Verein die „Blechtänzerin“ natürlich nicht stemmen, zumal auch die laufenden Produktionen und
Gastspiele noch durchgeführt wurden. Sponsoren, Fördermitglieder, Verwandte und Freunde verhalfen der „Blechtänzerin“ zu ihrer steinigen Geburt. Eine Mühe, die sich anhand der überschwänglichen
Zuschauerreaktionen und der positiven Presseberichterstattung (siehe NN-Feuilleton vom 29.02.16) gelohnt hat. Alle Beteiligten stehen zu 100% hinter der Inszenierung von Christian
Schidlowsky, die zu einem Dauerbrenner werden könnte (die ersten sechs Vorstellungen waren kurz nach der Premiere ausverkauft), mit einem Stück Nürnberger Stadtgeschichte aus den Jahren
1932/33, dessen Bezug zu heute nicht brisanter sein könnte.
Warum kann es trotzdem nicht (so) weitergehen?
Trotz unermüdlicher Sponsorensuche klafft noch eine Finanzierungslücke von 10.000 € im Projekt „Die Blechtänzerin“. Der Hauptgrund allerdings ist folgender: um dauerhaft Theater
auf professionellem Niveau zu machen, ist der Umzug in ein eigenes Theater aus dem Provisorium der Tanzfabrik notwendig, denn der dortige 115 qm große Tanzsaal ermöglicht uns nur
das Spielen am Samstag und Sonntag und muss dafür jedes Wochenende aufwendig umgebaut werden. Er ist zu niedrig, so dass die Bühne nur 40 cm hoch sein kann und die Sicht für die Zuschauer leider
zu einem großen Teil sehr eingeschränkt ist. Er umfasst nur 120 Plätze, die oft nach kürzester Zeit ausverkauft sind. Das größte Problem ist eine fehlende Belüftung, so dass mehrfach schon
Zuschauer kollabiert sind. Eine funktionierende und geräuscharme Belüftungsanlage einzubauen würde ca. 35.000 € kosten und der Vermieter ist nicht bereit, dies zu übernehmen.
Unsere Personaldecke (zwei 450 € Stellen und ein Werkstudent) ist permanent überlastet, um die mittlerweile 60 Vorstellung pro Jahr zu organisieren, das Personal dafür zu disponieren, die
Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Ticketverkauf, Buchhaltung etc. gewissenhaft zu erledigen.
Wie könnte es sinnvoll weitergehen:
Wir möchten mit einem eigenen Haus und Ensemble die Förderkriterien des Freistaates erfüllen und sind zuversichtlich, dass wir die dafür geforderten Minimum 100 Vorstellungen pro
Jahr bieten und füllen können, zumal ein Großteil unserer Zuschauer und Fördermitglieder aus dem gesamten Umland kommt. Bundesweit sind wir bekannt für unser innovatives Burlesque Ensemble, mit
dem wir regelmäßig zu internationalen Festivals eingeladen werden (London, Amsterdam, New York, Mailand, Florida, St. Louis). Mit der Inszenierung „Die Blechtänzerin“ haben wir nun bewiesen, dass
wir auch „richtiges Theater“ machen können.
Um diesen großen Schritt - ein eigenes Haus mit ausreichender Personaldecke und eigenem Ensemble, mit der berechtigten Aussicht auf Gelder des Freistaates - wagen zu können, müssen wir
zuerst eine angemessene Etaterhöhung von der Stadt Nürnberg bekommen, insbesondere für die Miete.
Da Nürnberg, wie schon erwähnt, nur zwei freie Bühnen für Erwachsenentheater hat – die Tafelhalle mal ausgenommen, da ihr Leiter Michael Bader städtischer Angestellter ist - halten wir dies bei
einer Stadt unserer Größenordnung für mehr als gerechtfertigt, ja geradezu zwingend, um die Kultur an der Basis zu stärken und ihre Vielfalt zu gewährleisten.
Ein Mietkostenzuschuss in Höhe von 50.000 €, wie ihn die anderen freien Theater bekommen, würde uns helfen und ermöglichen, einen entsprechenden Spielort zu suchen. Eine für unsere Bürger und
Touristen verkehrsgünstige und zentrale Lage wäre beispielsweise das geplante Hotel- und Einkaufsensemble neben dem Hauptbahnhof. Oder eine Immobilie in der Luitpoldstraße, um an den Ort der vor
dem zweiten Weltkrieg so renommierten Bühnen wie dem „Wintergarten“ und dem „Apollo“ zurückzukehren.
Da die künstlerische Leiterin Julia Kempken mit dem Provisorium in der Tanzfabrik und der stets zu knappen Personaldecke (Betriebsbüro mit allen Bereichen, die ein Theater
braucht) nicht mehr weiterarbeiten und sich nicht wieder in eine drohende Privatinsolvenz wie 2013 hineinmanövrieren möchte, gibt es für sie nur die Alternative, ihre Arbeit für die rote Bühne zu
beenden, was sicher die Schließung des Theaters zur Folge hätte.
Dazu möchte es der Verein nicht kommen lassen und bittet deshalb die Presse um Unterstützung. Im Jahr 2013 zeigten die Berichterstattungen (überregional im Feuilleton, bayernweit
durch den BR) große Wirkung bei unseren städtischen Politikern und Entscheidern. Auch können damit weitere private Sponsoren auf uns aufmerksam werden.